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Der Kreuzestod Jesu bedeutet Zuwendung

“Der Kreuzestod Jesu bedeutet Zuwendung”, diese zentrale These entfaltete der Göttinger Neutestamenter Dr. Florian Wilk am Donnerstag, 21.03.2024 in einem dichten, lehrreichen und zugleich verständlichen theologischen Vortrag im Evangelischen Forum. Ihm folgten insgesamt 41 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, z.T. digital über Zoom, die Mehrheit jedoch in Präsenz im Gemeindehaus Marktkirche. Der grausame Tod Jesu am Kreuz, seine Einsamkeit und Gottverlassenheit und die Deutung des Dramas als Rettung der Menschheit vor dem göttlichen Zorn werde von vielen Menschen, auch Christen, heute nicht mehr verstanden, sagte Pfarrerin Repp-Jost in ihrer Begrüssung und formulierte damit auch das Ziel der Veranstaltung, nämlich aus bibelwissenschaftlicher Sicht einen Zugang zu den biblischen Zeugnissen zu eröffnen.

Jesus wurde als Aufrührer am Kreuz hingerichtet. Das sei, so Prof. Wilk, historisch plausibel. Denn der Anspruch, mit dem er aufgetreten sei, habe sowohl bei den jüdisch-religiösen Führern als auch den politischen Instanzen für Unruhe gesorgt. Für seine Anhänger sei sein Tod nicht nur eine menschliche Katastrophe gewesen, sondern habe alles, wofür Jesus stand, zunichte gemacht und widerlegt. Die Ostererfahrungen der Jünger hätten jedoch den Tod Jesu in einem neuen Licht erscheinen lassen, nämlich dass Gott dieser Deutung, alles sei nur Illusion gewesen, widerspreche. Das was Jesus verkündet habe, sei durch den Tod nicht entkräftet. “Die neutestamentlichen Zeugnisse verstehen Ostern als ein Akt, der Jesu Botschaft ins Recht setzt. Was Jesus verkündigt hat, bleibt gültig, obwohl er gestorben ist. Das bedeutet Auferweckung. Nicht die Verlebendigung eines Individuums, sondern ein kollektiver Vorgang, der Jesu Anspruch bestätigt.” Mit dem Tod Jesu wende sich Gott auf eine ganz neue, einmalige Weise den Menschen zu. Diese Zuwendung Gottes werde mit Rückgriff auf die soziale, politische und religiös-kultische Lebensrealität der damaligen Zeit unterschiedlich gedeutet: Als Tilgung von Schuld, Befreiung von sozialen Zwängen, Hingabe für Freude, Beendigung eines Feindschaftsverhältnisses zwischen Gott und Mensch.

Alle diese Deutungen zeigten, dass Karfreitag den Menschen nicht klein mache, sondern ihn aufrichte, weil Gott auf den Tod und die Schuld der Menschen mit Vergebung reagiere, so Prof. Wilk zum Schluss seines Vortrags.

In dem regen Gespräch im Anschluss wurde deutlich, dass viele Begrifflichkeiten wie “Versöhnung, Sühne, Opfer, Loskauf” deshalb als problematisch gelten, weil ihr zeitgeschichtlicher Kontext ein anderer war und sie heute oft völlig andere Assoziationen wecken. Doch die Grundaussage, dass Gott an Karfreitag in Jesu Tod über alle Mächte des Todes Gericht hält, bleibt eine starke Botschaft, deren befreiende Kraft für das Leben heute immer wieder neu entdeckt werden muss.