Besuch Lern- und Gedenkort für jüdisches Leben im Werra-Meißner-Kreis
Am Freitag, 8. August 2020 besuchten Jugendliche aus dem Küsterdienstteam und Mitglieder der Gottesdienstgruppe der Evangelischen Stadtkirchengemeinde Eschwege mit Pfarrerin Sieglinde Repp-Jost den Lern- und Gedenkort für jüdisches Leben im Werra-Meißner-Kreis in der ehemaligen Synagoge in Abterode.
Till Schaub, Konfirmand und der jüngste in der Runde, ist der Erste, der sich die 3-D-Brille aufsetzt.
„Ah, so sah es also im Innenraum der Synagoge in Eschwege aus, bevor sie am 8. November 1938 von den Nazis zerstört wurde. Tolle Tapeten und so ein großer Leuchter! Kann ich den Toraschrank öffnen?“ „Nein, das geht noch nicht“, erklärt uns Dr. Martin Arnold, Vorsitzender des Vereins der Freundinnen und Freunde für jüdisches Leben in der Region Werra-Meißner. Aber es sei geplant, die 3-D-Grafik noch weiter zu verfeinern.
Mit der Diskriminierung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger durch die Nazis ging auch die Vernichtung des kulturellen und religiösen Lebens einher. Nur besonderen Umständen ist es zu verdanken, dass das imposante Gebäude der ehemaligen Synagoge in Abterode nicht zerstört und einige Kultgegenstände wiederentdeckt wurden.
Im vergangenen Jahr wurde im Obergeschoss, dort, wo sich einst die Frauenempore befand, ein Lern- und Gedenkort eingerichtet. Einige besondere Gegenstände wie z.B. eine Schriftrolle mit der Ester-Geschichte, ein Lesefinger und ein Tora-Wimpel sind im Original zu sehen. Andere Gegenstände, Fotos und Kartenmaterial sind auf dem digitalen und interaktiven Bildschirm abrufbar. Ein Highlight ist der digitale Rundgang mittels 3-D-Brille durch den Innenraum der ehemaligen Synagoge in Eschwege. Ein 3-D-Artist hat ihn anhand der vorhandenen Fotos nachgebaut. „Wirklich toll“, findet Astrid Fey, Kirchenvorsteherin in der Stadtkirchengemeinde.
Pauline Haase ist von der Ester-Rolle beeindruckt. Sie hat viele Jahre im Küsterteam mitgewirkt, jetzt studiert sie Theologie. Alte Sprachen sind ihre Leidenschaft. Doch auch für sie ist es nicht so leicht, den hebräischen Text zu lesen. Er hat keine Punktierung, damit fehlen die Vokale. „In der Ester-Rolle geht es um eine junge jüdische Frau namens Ester, die ihr Volk in Persien vor einem Pogrom rettet“, erklärt Martin Arnold.
Heike Kuder, die sich in der Kirchengemeinde und im Bündnis Bunt statt Braun engagiert, beschäftigt eine andere Sache: „Wieso gab es hier auf dem Land eigentlich so viele jüdische Gemeinden?“, fragt sie. Ja, das sei eine interessante Frage, sagt Martin Arnold. Dazu könne er einiges erzählen …
75 Jahre nach dem Holocaust wird jüdisches Leben in der Region Werra-Meißner wieder „greifbar“, wollen christliche Gemeinden mehr erfahren über Geschichte, Kultur und Religion und das, was Kirche und Synagoge verbindet.
Zum Schluss des 60 minütigen Rundgangs lädt Pfarrerin Repp-Jost ein zum Gottesdienst am 16. August um 10.00 Uhr in der Marktkirche. „Dieser Sonntag trägt den Namen Israelsonntag. Thema wird sein: Was Christen und Juden im Gottesdienst verbindet. Herzlich Willkommen!“