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ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche

ForuM-Studie

Worum geht es in der Studie?

Am 25. Januar 2024 wurden die Ergebnisse der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlicht. Sie soll dazu dienen, sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch in der evangelischen Kirche aufzuklären, Erkenntnisse über Strukturen und Bedingungen des Missbrauchs bringen und Fehler im Umgang mit Verdachtsfällen, Tätern und Opfern analysieren.

Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Aufarbeitung der Delikte als auch die Anerkennung der Betroffenen und die Prävention voranzubringen.

An dem wissenschaftlichen Forschungsprojekt beteiligten sich mehrere Universitäten und Institute, die unabhängig von Kirche und Diakonie arbeiteten.

Wurden die Erwartungen erfüllt?

Eine umfassende Aufklärung über das Ausmaß des Missbrauchs und der sexualisierten Gewalt in der Kirche leistet die Studie nicht. Die darin genannten Zahlen sind lediglich eine Annäherung. Eine umfassende Aufklärung würde die Durchforstung aller Personalakten sowohl von Pfarrern und Pfarrerinnen, Kirchenbeamten und allen anderen kirchlichen Mitarbeitenden (in Kitas, Diakonischen Werken, Kirchengemeinden und Kirchenkreisen, etc. ) ab 1946 voraussetzen. Die Akten sind nicht zentral archiviert, sondern werden auch in Gemeinden, Dekanaten und kirchlichen Einrichtungen aufbewahrt.

Für den Bereich unserer Landeskirche, der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck, gibt Prälat zur Nieden an, dass für die ForuM-Studie alle Disziplinarakten und die Personalakten der Pfarrer im aktiven Dienst und im Ruhestand gesichtet wurden (WR vom 02.02.2024), also (nur) die Akten, die sich im landeskirchlichen Archiv befinden.

Die Erwartung, dass die evangelische Kirche aus den Aufklärungs-Desastern der katholischen Kirche gelernt hat und mit der Studie eine umfängliche Aufklärung vorlegt, ist nicht erfüllt worden. Zur Aufklärung gehört, dass die Kirche alles tut, was ihr möglich ist, um Licht in das Dunkel zu bringen und das Ausmaß an Übergriffen und Missbrauchsdelikten zu erfassen. Das bedeutet in der Tat, alle kirchlichen Personalakten (auf allen Ebenen) zu sichten. Da sie das nicht getan hat, entsteht der Eindruck der Verschleppung und eines nur halbherzigen Aufklärungswillens. Die Kritik daran ist aus meiner Sicht berechtigt. Keine Frage, die Überprüfung der Akten ist eine Mammutaufgabe. Aber die ist die Kirche der Öffentlichkeit schuldig.

Was zeigt die Studie?

Trotzdem ist die Studie keinesfalls wertlos.

Auch wenn weder die Zahl der Beschuldigten noch der Betroffenen vollständig erfasst wurde, zeigt sie, dass das Ausmaß sexualisierter Gewalt auch in der evangelischen Kirche hoch ist: In evangelischen Kirchengemeinden, in diakonischen Einrichtungen, in Kindertagesstätten, in der evangelischen Jugendarbeit, in Heimen und in Pfarrhäusern haben Pfarrer und Jugendmitarbeiter, Seelsorger und Pädagogen ihre Fürsorgepflicht und ihr Vertrauensverhältnis gegenüber Minderjährigen missbraucht und ihnen Gewalt angetan.

Die evangelische Kirche ist nicht die bessere Kirche und sexualisierte Gewalt lässt sich auch nicht vorrangig auf den Zölibat schieben.

In die Untersuchungen der Studie flossen die Erfahrungen von 100 Betroffenen mit ein. Sie geben nicht nur Aufschluss über die Ermöglichungsbedingungen von sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche, sondern zeigen auch die dramatischen Versäumnisse im Umgang mit den Betroffenen.

Was folgt daraus?

Gott verurteilt die Sünde und fordert Gerechtigkeit. Seine Wahrheit ruft zur Umkehr. Gott schützt die Schwachen. Seine Liebe befreit und heilt. Das ist das Evangelium. Das sollen Menschen in der Kirche nicht nur hören, sondern auch erfahren. Darum muss die Aufklärung dringend weitergehen. Die Personalakten müssen von unabhängiger Stelle kritisch überprüft werden und aus den Erkenntnissen der Studie müssen Taten folgen: hinsichtlich der Prävention und hinsichtlich der Anerkennung der Betroffenen.

Wie übernehmen wir auf der Gemeindeebene Verantwortung?

Wir holen das Thema Missbrauch und sexualisierte Gewalt aus der Tabuzone. 2010 gab es dazu den ersten Gottesdienst, einen zweiten im Jahr 2019. Wir sprechen darüber z.B. im Kirchenvorstand. Haupt-, neben- und ehrenamtlich Mitarbeitende werden geschult. Zu Beginn des Konfirmandenunterrichts erstellen wir mit den Konfirmanden und Konfirmandinnen einen Verhaltenskodex, in dem wir festhalten, was Betreuer und Betreuerinnen dürfen und was nicht. Und: Aufklärung werden wir auf jeden Fall unterstützen. Es bleibt aber noch einiges zu tun: Bei der Erstellung der Schutzkonzepte hinken wir in einigen Bereichen hinterher. Und ich fürchte, dass wir auch im Bereich der Aktenführung und Archivierung manches verbessern müssen.  

Sieglinde Repp-Jost

Haben Sie sexualisierte Gewalt oder Missbrauch in der evangelischen Kirche erfahren? Kirchliche Anlaufstelle:

Fachstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der EKKW

Telefon: (0151) 1675 2077 oder (0561) 9378 404

Email: praevention@ekkw.de

Unabhängige Ansprechstelle in der Region:

Fachberatungsstelle Allerleirauh – Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen
Niederhoner Str. 22, 37269 Eschwege
Tel.: (05651) 338482
E-Mail allerleirauh@frauen-fuer-frauen-im-wmk.de